"BAN INS DINNAN IN TOL"
ÖTZTAL-Mund-Art-Projekt
„Ban ins dinnan in Tol“ oder über die gelebte Freiheit des Tuns
Ein gesamtes Album gesungen in Ötztaler Dialekt? Vorweg: Es ist nicht die kommerzielle Selbstaufgabe des Gilbert, sondern viel mehr eines der spannendsten und authentischsten Projekte, das es seit Langem zwischen Neusiedler- und Bodensee zu hören gibt.
Der Tiroler Songwriter Gilbert macht seit Jahrzehnten Musik. Seine deutsch getexteten und gesungenen Songs zählen im gesamten deutschen Sprachraum zum beliebten Repertoire zahlreicher Radiostationen und tummeln sich in den unterschiedlichsten Charts. Er ist, so lässt sich unschwer nachweisen, ein kommerziell sehr erfolgreicher Künstler, der stets auf Pfaden zwischen Deutsch-Pop und anspruchsvollem Schlager wandelt. So wie dem Schuster meist geraten wird bei seinen Leisten zu bleiben, käme der „Markt“ wohl nie auf die Idee, irgendwelche Risiken einzugehen, sondern erneut nach dem Rezept „Give The People What They Want“ vorzugehen. Im Falle des neuen Albums des Gilbert, würde dieses nun den Titel „Bei uns drin im Tal“ tragen. Tut es aber nicht. Zumindest nicht in dieser Schreibweise.
„Ban ins dinnan in Tol“
„Gilbert tut es in einem Dialekt, der zurzeit von ungefähr 22.000 Menschen gesprochen wird, jedoch die Jahrhunderte überdauert
hat. Diese Lieder im Ötztaler Dialekt werden bleiben, weil Weltkulturerbe so noch nie zu hören war“, sagt der Kulturaktivist Martin Marberger, ein Ötztaler wie Gilbert. Marberger kennt die
Kulturszene im Tal sehr gut, mit kommerziellem Musikmachen hat er üblicherweise eher weniger zu tun. Gilbert kennt er flüchtig. Aus der Kindheit. Dann ging jeder der beiden eigene Wege.
Kulturelle Begegnungen gab es selten bis gar nicht. Zu unterschiedlich waren die Welten. Doch der Kulturaktivist hat auch stets die Antennen heraußen und so kam es, dass er von dem Musiker und
Musikproduzenten Ralf Metzler, der unter anderem auch durch seine Arbeit mit dem Herbert Pixner Projekt bekannt ist, auf Gilbert und seine neuen Songs aufmerksam gemacht wurde. Marberger fand
spannend, was er hörte. Er schrieb darüber und nun ist im Booklet des Albums folgendes zu lesen:
Das alte Tal war zu den Bewohnern über lange Zeit hart und kalt gewesen, die Menschen
waren schpeere und teere wie die Topografie! Das Ötztal war nie ein Tal der Dichter und
Sänger, trotz allem hat es eine Handvoll KünstlerInnen hervorgebracht, nämlich solche,
die es auch über „die einzige wirkliche Heimat“ hinaus geschafft haben. Der Gilbert
gehört zu jenen! Er besingt nicht die großen Dramen, die sich hier während der
Transformation von der bäuerlichen zur globalisierten Dienstleistungsgesellschaft
abgespielt haben. Seine Lieder erinnern an vertraute Menschen, magische Plätze und die
kleinen Geschichten von früher…
Marberger erwähnte zudem, dass die Ötztaler Mundart im Jahr 2010 in die Liste des „immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen wurde. Es ist eine Sprache, die außerhalb
des Tales nur schwer verständlich erscheint. Doch steckt im Wort Mundart nicht auch „Mund-Art“? Also gesprochene Kunst und das Schlimmste, was Kunst passieren kann, ist, dass sie über die
Logikschiene erfasst wird.
„Der Markt war mir wurscht“
„Ban ins dinnan in Tol“, das sind 14 Songs, die sich über die Gefühlsebene öffnen. Ob drin im Tal, wo die Texte sofort verstanden werden oder außerhalb, das ist dabei im Grunde völlig egal. Hören. Spüren. Erkennen und zur Not gibt es ja auch ein Textbüchlein, welches der CD beiliegt. 14 Songs im kerzengeraden Ötztaler-Dialekt. Da gibt es kein Verbiegen damit der Markt das leichter verarbeitet. „Der Markt war mir bei dem Ganzen Wurscht“, sagt Gilbert. Er folgte einfach nur einem langehegten Wunsch, schrieb ein Album über sein geliebtes Tal. Die Menschen. Erinnerungen an damals. Gedanken. Erlebnisse.
Gilbert ist heute knapp über 60 Jahre alt. Dieses Werk ist seine gelebte Freiheit des Tuns. In jeder Hinsicht. Musikalisch sowieso. Die gesamte Produktion atmet handwerkliche Authentizität und großes Können der Protagonisten. Vom Songschreiber zum Produzenten und den Musikerinnen. Ganz speziell Ralf Metzler, seines Zeichens selber großartiger Musiker, Künstler und Musikproduzent, gab der Produktion jenen Feinschliff, die das ganze so einzigartig macht. Gilbert meint dazu: „Es war unglaublich und für mich die sicher spannendste musikalische Reise, die ich bisher gemacht habe. Ich schöpfte aus einer Fülle von Erinnerungen erlebter Geschichten voller Glück, Harmonie und Liebe. Es war und ist einfach nur in jeder Hinsicht ehrlich!“
Man darf dem Künstler, seinem Werk und allen an der Entstehung Beteiligten zu „Ban ins dinnan in Tol“ aufrichtig gratulieren. Das Album ist nichts, was der typischen, jährlichen Veröffentlichung entspricht, sondern in seiner Art in der Tat heute bereits frisches Kulturerbe fürs jetzt, für morgen und all die vielen Jahre, die noch folgen werden.
Hier könnt ihr in das Mundart-Album
"Ban ins dinnan in Tol" reinhören.
Erhältlich u. a. über
Offizielles Musikvideo zu "Ban ins dinnan in Tol"
Albumpräsentation am 04.11.22 im ORF Studio 3
Fotos: Copyright Linda Martin
BAN INS DINNAN IN TOL
Ötztaler Mundart (2022)
01. Ban ins dinnan in Tol
02. I denk no heit a sia an si
03. I hon di Liechter gseahen
04. Ob i dr rechte bin
05. Etzar Morkt
06. Dos Tol dos ischt mei Hoamat
07. S` Etztol
08. Viel nette Leite troffn
09. Kimm amol hea
10. I loss di nuicht alloane
11. Schitour afn Hintern Sealnkogel
12. Hal eppan woll
13. Dr Sennelar
14. Tief untern Gewond